„Operationsplan Deutschland“

Wie sich die Berliner Wirtschaft für Krisen wappnen kann

Der „Operationsplan Deutschland“ definiert konkrete Aufgaben für Militär, Behörden und Wirtschaft. Ziel ist eine verbesserte Koordination und gegenseitige Unterstützung im Krisen- und Kriegsfall.

Brigadegeneral Horst Busch

Brigadegeneral Busch, die Bedrohungslage für Staat, Gesellschaft und Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren spürbar verschärft. Womit sind wir zurzeit besonders konfrontiert?

Die Anzahl und Art der sicherheitsrelevanten Vorkommnisse hat sich in den vergangenen drei Jahren spürbar erhöht und verändert. Vorkommnisse wie Ausspähungen von Bundeswehrliegenschaften, Truppenübungsplätzen oder anderen neuralgischen Punkten mit sich stets verändernden Mitteln, wie z.B. Drohnen, Kfz mit Dashcams, dem Ausgeben von falschen Identitäten oder Eindringversuche in Liegenschaften der Bundeswehr ist lediglich ein Teil dessen, mit dem sich die Bundeswehr konfrontiert sieht. 

Vorkommnisse, die nicht nur die Bundeswehr betreffen, sind z.B. die versuchte Einflussnahme auf unsere Gesellschaft. Die Verbreitung von Desinformationen, Diskriminierung bestimmter Gruppen oder Drohungen über soziale Medien rütteln massiv an unseren Wertevorstellungen und macht es notwendiger denn je, sich mit seinem Umfeld, sei es beruflich oder privat, auszutauschen und in den Diskurs zu gehen. 

Besonders betroffen ist natürlich auch die Wirtschaft, insbesondere mit Blick auf die bereits stattgefundenen Vorkommnisse, vor allem die erhöhte Anzahl von Cyberattacken. Gemäß einer Umfrage eines großen Digitalverbands wurden mehr als 80 Prozent der deutschen Unternehmen in den letzten zwölf Monaten Opfer von Datenlöschung, Datendiebstahl, Wirtschaftsspionage oder Sabotage. Das ist ein Anstieg von fast 30 Prozent zum Vorjahr und auch die Bundeswehr wird davon nicht verschont. In den vergangenen Monaten ist die Bundeswehr gerade auch in Berlin immer wieder Ziel von Brandanschlägen geworden, sei es auf die Infrastruktur des Bundeswehrkrankenhaus oder auf Militärfahrzeuge, die sich zur Wartung in zivilen Werkstätten befanden.

Brigadegeneral Horst Busch, Kommandeur Landeskommando Berlin

Brigadegeneral Horst Busch trat 1985 als Offizieranwärter in die Bundeswehr ein. Nach dem Studium der Staats- und Sozialwissenschaften an der Universität der Bundeswehr in München und verschiedenen Führungsverwendungen in der Jäger- und Panzergrenadiertruppe nahm er am 41. Generalstabslehrgang teil. Nach Stationen in Paris, Donaueschingen und im Bundesministerium der Verteidigung in Berlin wechselte Brigadegeneral Busch als Heeresattaché nach Washington, D.C., USA.

Zurück in Deutschland übernahm er den Posten als Chef des Stabes im Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr in Berlin sowie ab 2021 als Chef des Stabes des Corona-Krisenstabes im Bundeskanzleramt. Anschließend war er Referatsleiter für den Militärattachédienst im BMVg und wurde im September 2024 Kommandeur des Landeskommandos Berlin.

Viele dieser Herausforderungen begleiten uns schon länger. Was war der Anlass für die Entwicklung des Operationsplans Deutschland? 

Die Bedrohungslage in Mitteleuropa hat sich seit dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine massiv verändert. Als Reaktion erarbeitete das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr – jetzt das Operative Führungskommando der Bundeswehr – den Operationsplan Deutschland. Er umfasst den operativen Einsatz der Bundeswehr in Deutschland in Frieden, Krise und Krieg und zeigt Bereiche auf, die einer noch stärkeren Zusammenarbeit mit Behörden, Wirtschaft und Gesellschaft bedürfen. Denn um es klar zu sagen, Russland wartet nicht, bis wir bereit sind. Was wir sehen, ist eine massive Umgestaltung der russischen Wirtschaft und Gesellschaft in Bezug auf Krieg sowie der Fähigkeiten, die dazu nötig sind, Krieg zu führen. Erst vor kurzem, kurz vor dem dritten Jahrestag des Überfalls auf die Ukraine, hat Kremlchef Putin den russischen Streitkräften modernere Waffen und Technik in Aussicht gestellt, gepaart mit den Äußerungen, den Aufrüstungskurs der letzten Jahre weiter voranzutreiben. 

Weitere Informationen
Sicherheitspartnerschaft

Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden und der Wirtschaft

Die Industrie- und Handelskammer zu Berlin, der Verband der Sicherheit in der Wirtschaft Berlin-Brandenburg und die Senatsverwaltung für Inneres und Sport tauschen sich regelmäßig zu sicherheitsrelevanten Themen aus

Der Operationsplan hebt besonders die Bedeutung von zivil-militärischer Zusammenarbeit hervor. Was verbirgt sich dahinter?

Für die Landeskommandos bedeutet das vor allem das Erstellen eines Lagebildes in Zusammenarbeit mit Behörden, Ländern und Kommunen. Im Fokus steht dabei die kritische und verteidigungswichtige Infrastruktur und wer was zum Schutz beitragen kann, sowohl im Bereich der physischen Sicherheit als auch in Bezug auf die Cyberabwehr. Dahinter verbirgt sich die Gewissheit, dass viele Leistungen, die auch schon vor der Schwelle des Spannungs- oder Verteidigungsfalls notwendig wären, allein durch Bundeswehrkräfte nicht zu leisten sind. Grundsätzlich ist die Unterstützung der Streitkräfte eine der vier Säulen der zivilen Verteidigung und diese Zusammenarbeit bedarf Abstimmung. 

Gibt es konkrete Szenarien, mit denen Sie planen und hätten Sie einige Beispiele für die Einbindung von Unternehmen?

Im Falle eines Falles ist Deutschland nicht Frontstaat, sondern Transitstaat für Truppen, die sogenannte Drehscheibe Deutschland. Dazu brauchen wir die zivilen Kräfte, vom Hafenbetreiber über die Betreiber von Straßen- und Eisenbahntransportsystemen (Güterverkehr) bis zu denjenigen, die die Truppen – seien es Briten, Franzosen, Niederländer oder unsere eigenen Kräfte – auf ihrem Marsch durch Deutschland mit Verpflegung, Wasser, Treibstoff oder auch Krankenversorgung unterstützen. Wenn Sie das zu transportierende Material und Personal in Zahlen fassen, lässt sich schnell erkennen, dass eine Einbindung von Unternehmen unabdingbar ist. 

Unternehmen können außerdem helfen, indem sie die Aktivitäten ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bestmöglich unterstützen, z.B. durch Freistellungen für Reservistendienstleistungen.“
Brigadegeneral Horst Busch Kommandeur Landeskommando Berlin
Was können Unternehmen heute schon tun, um sich einerseits auf einen möglichen Ernstfall vorzubereiten und um andererseits die Bundeswehr dann effektiv unterstützen zu können?

Was wirklich hilft, ist, sich die Zeit und Mühe zu machen, solche Szenarien durchzuspielen und dann mögliche Maßnahmen frühzeitig einzuleiten. Ein Beispiel: Sind in meinem Unternehmen Angestellte, die eine osteuropäische Staatsbürgerschaft besitzen und stehen mir diese Angestellten noch zu Verfügung, wenn in ihren Ländern mobil gemacht wird? Oder: Verfügt mein Unternehmen über eine Autarkie in der Energieversorgung? Unternehmen können außerdem helfen, indem sie die Aktivitäten ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bestmöglich unterstützen, z.B. durch Freistellungen für Reservistendienstleistungen.

Berlin liegt nicht nur an verschiedenen Hauptverkehrsadern in Richtung Ostflanke, sondern ist zugleich Regierungssitz und Deutschlands größte Metropole. Entstehen daraus spezielle Anforderungen an die Berliner Behörden und unsere Wirtschaft?

Aus den regionalen Besonderheiten Berlins leiten sich eine Menge spezieller Anforderungen ab, einige davon haben Sie bereits benannt. Diese zu identifizieren, zu bewerten und dann abgestimmte Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und zur Operationsfreiheit treffen zu können, ist eine enorme Herausforderung und funktioniert am Ende nur mit einer guten Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit. Dieses Thema ist bereits aufgegriffen. Wir stehen in enger Verbindung zu den Berliner Behörden, um diese Szenarien durchzuspielen und gemeinsame Lösungen für die Bevölkerung und die Behörden zu finden. 

Alle Interviews der Reihe
Unternehmenssicherheit

Sicherheitsexpertinnen und -experten geben Einblick

In der Interviewreihe “Lauschangriff: Natürlich ganz legal” geben Sicherheitsexpertinnen und -experten großer Berliner Unternehmen einen Einblick in ihren Berufsalltag im Bereich Wirtschaftsschutz und Unternehmenssicherheit und geben Tipps, wie sich Unternehmen auf aktuelle Gefährdungslagen vorbereiten und einstellen können.

Wie kann die IHK Berlin die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Wirtschaft im Rahmen des Operationsplans fördern?

In dem wir den gemeinsamen Austausch suchen, denn nur gemeinsam, mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und dem Willen, etwas umzusetzen, lässt sich diese Herausforderung stemmen. Konkret verbirgt sich dahinter etwa das Besprechen und Bewerten von möglichen Szenarien oder das gemeinsame Üben. Die IHK könnte hier sowohl als Bindeglied und Multiplikator wirken, indem sie das Thema auf die Agenda setzt und aktiv für und mit ihren Mitgliedern kommuniziert. Ein gutes Beispiel ist das kürzlich durchgeführte Hausspitzengespräch der Berliner Sicherheitspartnerschaft.