Cybersecurity

„In der IT-Sicherheit brauchen wir viel mehr Frauen!“

Die Deutsche Cyber-Sicherheitsorganisation DCSO ist ein wichtiger Anbieter für IT-Sicherheit. Dafür könnten die Berliner noch mehr Fachkräfte gebrauchen, doch die sind rar. Deshalb will DCSO dringend mehr Frauen für die Cyberabwehr begeistern. Wie das gehen soll, erklärt Personalchefin Irma Mariam Kummer.

Portrait von Irma Mariam Kummer, Personalcheffin von DCSO

Irma Mariam Kummer

Frau Kummer, IT-Fachleute werden händeringend gesucht. Nun sind in der IT-Branche besonders wenige Frauen tätig. Auch bei Ihnen sind von 117 Beschäftigten knapp 30 weiblich. Woran liegt das? 

Derzeit haben wir drei bis fünf Stellen im technischen Bereich zu besetzen. Besonders gefragt sind Consultants, die Unternehmen in Fragen der IT- und Informationssicherheit beraten, sowie Analystinnen und Incident-Responderinnen, die für die Identifizierung, Analyse und Reaktion auf Cybersicherheitsvorfälle innerhalb einer Organisation verantwortlich wären.

Aber es gibt einfach zu wenige Bewerberinnen. Im Jahr 2024 lag der Anteil der Bewerberinnen bei 24 Prozent. Im Vergleich dazu sind wir mit knapp 30 Frauen im Unternehmen gut aufgestellt.

Frauen bringen häufig Soft Skills mit, die Teams bereichern – beispielsweise ausgeprägte Problemlösungsfähigkeiten, Kommunikationsstärke und eine ganzheitliche Risikobetrachtung.“
Irma Mariam Kummer Head of People & Organization
Es gibt Studien, nach denen Frauen im Bereich Cybersicherheit besser sind, weil sie mehr Soft Skills als Männer mitbringen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Unsere Erfahrung zeigt, dass technische Fähigkeiten unabhängig vom Geschlecht sind. Allerdings bringen Frauen häufig Soft Skills mit, die Teams bereichern – beispielsweise ausgeprägte Problemlösungsfähigkeiten, Kommunikationsstärke und eine ganzheitliche Risikobetrachtung. Dieses interdisziplinäre Denken und Arbeiten kann dann von Vorteil sein, wenn es um eine Bedrohungsanalyse und das Security-Management geht. 

Beim sogenannten Social Engineering nutzen Cyberkriminelle gezielt menschliche Schwächen aus. Sind da Frauen mit ihren sozialen Fähigkeiten besonders hilfreich, um solche Angriffe abzuwehren?

Wir haben festgestellt, dass divers aufgestellte Teams besonders effektiv sind. Frauen bringen oft eine hohe soziale Sensibilität, Detailgenauigkeit und strategisches Denkvermögen mit – Fähigkeiten, die zum Beispiel im Bereich Social Engineering, also dem Erkennen und Abwehren von manipulativen Angriffen, eine wertvolle Ergänzung sein können. Aber diese Kompetenzen sind nicht nur geschlechtsspezifisch, sondern individuell ausgeprägt. Deswegen ist Vielfalt im Team ein klarer Erfolgsfaktor für eine effektive Cybersecurity.

Irma Mariam Kummer, Personalcheffin von DCSO, im Gespräch

Irma Kummer konnte sich als Georgierin und Mutter als 25-Jährige "nicht vorstellen können, als Führungskraft in einem Unternehmen für Cybersicherheit zu arbeiten".

Laut Daten von Bitkom sind vier von fünf Unternehmen in Deutschland schon einmal im Cyberraum angegriffen worden. Wie erleben denn Sie und Ihr Unternehmen die Bedrohungslage? 

Die Bedrohungslage im Cyberraum ist eine Realität, der sich jedes Unternehmen stellen muss – auch hochspezialisierte Unternehmen wie unseres. Auch wenn ich keine Expertin bin, erlebe ich als Personalchefin bei der DCSO, wie essenziell es ist, ein ausgeprägtes Sicherheitsbewusstsein in der Organisation zu verankern. Cyberangriffe nehmen zu, und selbst Unternehmen mit erstklassigen Sicherheitsstandards und umfassenden Schulungen sind potenzielle Ziele. Entscheidend ist jedoch die Fähigkeit, Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und professionell abzuwehren.  

Dank unserer starken Sicherheitsarchitektur und kontinuierlichen Sensibilisierung der Mitarbeitenden sind wir in der Lage, Risiken schnell zu identifizieren und darauf zu reagieren. Auch im privaten Umfeld erleben wir eine Zunahme von Betrugsversuchen wie Phishing oder Social Engineering, ich erlebe fast täglich Phishing E-Mails, gefälschte SMS oder verdächtige WhatsApp-Nachrichten – ein weiterer Grund, warum Cybersicherheit nicht nur ein IT-Thema ist, sondern uns alle betrifft.  

Mit Vorbildern zeigen, dass Frauen willkommen sind.“
Irma Mariam Kummer Head of People & Organization
Was können Sie tun, um mehr Frauen für einen Job bei Ihnen zu begeistern?

Dafür müssen wir möglichst früh ansetzen, in der Ausbildung, in den Schulen, vielleicht sogar schon in der Grundschule oder im Kindergarten. Wir engagieren uns zum Beispiel beim Girls‘ Day, kooperieren mit Hochschulen und Universitäten und sind auch in diesem Jahr wieder bei der Informatica Feminale, einer Summer School speziell für IT-Studentinnen, dabei. Daneben laden wir internationale Studierende ein und sind auf vielen Networking-Events wie Women in Tech oder CyberWomen vertreten. Und schließlich stellen wir auf unserer Website Frauen aus unserem Unternehmen vor, wer sie sind, warum sie bei uns arbeiten und wie sie zur IT gekommen sind. Diese Vorbilder zeigen authentisch, dass Frauen bei uns willkommen sind. 

 Haben Sie selber ein Vorbild?

 Ich glaube nicht an ein einzelnes Vorbild, sondern an die Kraft der eigenen Möglichkeiten. Alles ist erreichbar, wenn man den Mut hat, es zu wagen. Als Mutter eines Sohnes und gebürtige Georgierin hätte ich mir mit 18 oder sogar 25 Jahren nicht vorstellen können, heute als Führungskraft in einem Unternehmen für Cybersicherheit zu arbeiten. Doch mit starkem Willen, Durchhaltevermögen und der Bereitschaft, Herausforderungen anzunehmen, wächst man über sich hinaus. Für mich sind es nicht einzelne Personen, die mich inspirieren, sondern Geschichten von Menschen, die Grenzen überwinden. Sie zeigen, dass wir alle mehr erreichen können, als wir uns manchmal selbst zutrauen. 

 

Die Frau und die Firma

Irma Mariam Kummer stammt aus Georgien. Nach dem Studium in Sprachwissenschaften und Germanistik in ihrer Heimatstadt Batumi studierte sie an der Humboldt-Universität in Berlin Betriebswirtschaftslehre. Seitdem arbeitete sie in verschiedenen Start-ups im Bereich Personal. Bei der DCSO ist sie seit 2023 Head of People & Organization. 

DCSO Deutsche Cyber- Sicherheitsorganisation GmbH, EUREF Campus 22, 10829 Berlin 

Ansprechpartnerin: Nicole Wesner, nicole.wesner@dcso.de 

Wie gestalten Sie die Arbeitswelt im Unternehmen für mehr Vielfalt?

Wir setzen auf größtmögliche Flexibilität. Vertrauensarbeitszeit und Remote Work sind bei uns gelebte Praxis. Wir wollen ein Arbeitsklima schaffen, das allen Mitarbeitenden das gute Gefühl gibt, Familie und Beruf in Einklang bringen zu können. Sicherlich gibt es bei uns noch mehr Potenzial. Flexible Teilzeitmodelle könnten zum Beispiel jungen Eltern helfen, in kleinen Schritten wieder in den Beruf einzusteigen. 

Praxis

Drei Tipps zum Umgang mit Phishing-Mails

1. Nicht sofort klicken: Wer eine verdächtige E-Mail erhält, sollte niemals direkt auf Links oder Anhänge klicken. Denn so können Phishing-Mails Daten stehlen oder Schadsoftware verbreiten. 

2. Inhalt prüfen: Unstimmigkeiten wie Rechtschreibfehler oder merkwürdige Formulierungen können auf eine Phishing-Mail hinweisen. 

3. Experten fragen: Im Zweifelsfall sollte die E-Mail an das zuständige Team weitergeleitet werden. Diese überprüfen die E-Mail auf verdächtige Inhalte. 

In Berlin gibt es viele Netzwerke, die versuchen, Mädchen und Frauen für technische und IT-Berufe zu interessieren. Machen Sie da mit?

Unser Engagement ist eher punktuell – zum Beispiel bei der Informatica Feminale oder durch die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt im vergangenen Jahr. Wir sind in verschiedenen Initiativen aktiv, mit 117 Mitarbeitenden und einem vierköpfigen HR-Team sind unsere Ressourcen jedoch begrenzt. 

Sehen Sie auch Generationsunterschiede in der Leistungsbereitschaft? Es heißt ja häufig, dass jüngere Leute nicht mehr so viel arbeiten wollen… 

Wir haben viele junge Talente, Werkstudenten, Praktikanten und Junior-Kollegen. Jüngere Generationen suchen oft eine bessere Work-Life-Balance. Das sehe ich nicht negativ – im  Gegenteil. Moderne Arbeitsmodelle wie Home Office sparen Zeit und Energie. Überstunden und exzessive Arbeitszeiten sind aus unserer Sicht kein Maßstab für Erfolg. Wenn die Leistung stimmt, muss niemand 60 Stunden in der Woche arbeiten. Wichtig ist, dass unsere Mitarbeitenden gesund bleiben. 

Berliner Unternehmen bedroht

Was nach dem Gespräch mit Irma Kummer feststeht: Cyberattacken nehmen auch in Berlin weiterhin zu. In den vergangenen zwölf Monaten wurden 81 Prozent aller Unternehmen in Deutschland digital und analog ausgespäht oder sabotiert, so eine Studie des Digitalverbands Bitkom. Die Angriffe verursachten einen Schaden von 266,6 Milliarden Euro. Zwei Drittel (65 Prozent) der Unternehmen sehen sich durch Cyber-Angriffe in ihrer Existenz bedroht. Mehr als die Hälfte der Unternehmen fühlt sich jedoch gut auf Attacken vorbereitet. Interessant: 45 Prozent der angegriffenen Unternehmen konnten einen Angriff nach China zurückverfolgen, 39 Prozent nach Russland.

Jedes dritte Berliner Unternehmen sieht Cybersicherheit als große Herausforderung. Die jährliche Digitalisierungsumfrage der IHK Berlin zeigt, dass die meisten Berliner Unternehmen inzwischen umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen wie Backups, ständige Aktualisierungen und Updates oder Identitätsmanagement einsetzen. Zudem hat fast die Hälfte der befragten Unternehmen spezielle Nutzungsrichtlinien entwickelt, damit Mitarbeiter Angriffe erkennen und im Zweifelsfall richtig reagieren können.

So hilft die IHK Berlin gegen Cyberattacken

Die IHK Berlin bietet ihren Mitgliedsunternehmen einmal im Quartal eine kostenlose individuelle Beratung durch das Landeskriminalamt Berlin (LKA) an. Olaf Borries leitet seit 2014 die Zentrale Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) beim LKA und beantwortet Fragen von Berliner Unternehmen, Behörden, Verbänden und Vereinen zu ihrer Cybersicherheit. 

Beratung bei der IHK Berlin